Schutzfristen verstehen
Bei den derzeit bestehenden Schutzfristen, die Mieterinnen und Mieter vor Eigenbedarfskündigungen schützen sollen, kommt es darauf an, wann was stattgefunden hat: Einzug, Aufteilung, Verkauf, Milieuschutzgebiet …
Die folgenden Hinweise dienen nur der ersten Orientierung – sie ersetzen nicht die individuelle Analyse Ihrer genauen Situation. Für individuelle Beratungen zum Mietrecht gibt es Mietervereine und einige Kommunen haben eigene Beratungsangebote eingerichtet. Lassen Sie sich unbedingt beraten!
So viele Abhängigkeiten – was gilt für mich?
Gesetzliche Kündigungsfristen nach Bürgerlichem Gesetzbuch
Für alle Mieterinnen und Mieter in Deutschland gelten nach der Umwandlung und dem Verkauf als Eigentumswohnung grundsätzlich immer die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß § 573c des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Länge der Kündigungsfrist ist davon abhängig, wie lange die Mieterinnen und Mieter die Wohnung schon gemietet haben.
Dauer des Mietverhältnisses | Kündigungsfrist |
Bis 5 Jahre | 3 Monate |
Über 5 Jahre bis 8 Jahre | 6 Monate |
Über 8 Jahre | 9 Monate |
Diese kurzen Fristen können sich deutlich verlängern, wenn bei Ihnen weitere Umstände hinzukommen. Lesen Sie die folgenden Absätze.
Gibt es in Ihrer Kommune eine „Kündigungsschutzklausel“?
Mieterinnen und Mieter, die zum Zeitpunkt der Umwandlung bereits in der Wohnung gewohnt haben, können bis zu 10 Jahre Schutz vor Mietvertragskündigungen haben, wenn es in der Kommune eine entsprechende Schutzklausel gibt.
Gemäß § 577a Abs. 2 BGB können die Bundesländer in bestimmten Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt per Verordnung festlegen, dass die gesetzliche Kündigungssperrfrist auf bis zu 10 Jahre verlängert wird. Diese Kündigungsschutzfristen sind in den verschiedenen Kommunen unterschiedlich und gelten nicht immer flächendeckend für die gesamte Stadt.
Mehrere Bundesländer haben solche Verordnungen erlassen. Hier einige Beispiele:
- Berlin: 10 Jahre (seit 2013)
- Hamburg: 10 Jahre (seit 2012)
- München (Bayern): 10 Jahre (in ausgewählten Gebieten)
- Frankfurt am Main (Hessen): 10 Jahre
- Stuttgart (Baden-Württemberg): 10 Jahre
- Düsseldorf (NRW): 8 Jahre
- Köln (NRW): 8 Jahre
- Leipzig (Sachsen): 8 Jahre
Beispiel Berlin:
Seit Erlass der Kündigungsschutzklausel-Verordnung Berlin am 1. Oktober 2013 (KSchKlV BE 2023, letzte Version 13. Juni 2023) gilt in Verbindung mit § 577a BGB für Mieterinnen und Mieter, die zum Zeitpunkt der Umwandlung des Mietshauses bereits in ihrer Wohnung gewohnt haben, eine Schutzfrist vor Eigenbedarfskündigung von 10 Jahren. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt des ersten Verkaufs als Eigentumswohnung.
Beim ersten Verkauf gilt für Mieter und Mieterinnen, die in der Wohnung wohnen, die verkauft werden soll, ein Mietervorkaufsrecht gemäß § 577 BGB. Der Eigentümer muss seine Mieter und Mieterinnen über den Verkauf informieren. Sie erhalten als mietende Person dann das Angebot, anstelle des eigentlichen Käufers in den Kaufvertrag einzutreten. Wenn sich Ihr Eigentümer an das geltende Recht gehalten hat, müssten Sie von diesem Erstverkauf wissen. Dieses Mietervorkaufsrecht haben Sie nur, wenn Sie die betreffende Wohnung zum Zeitpunkt der Umwandlung Ihres Mietshauses in Einzeleigentum (Eigentumswohnungen) bereits gemietet hatten.
Für Mieterinnen und Mieter, die erst eingezogen sind, als die Wohnung schon als Eigentumswohnung verkauft war, gelten die kurzen Fristen nach § 573c BGB (siehe oben und § 577a (1) BGB).
Wo kann man die genaue Frist für eine Stadt herausfinden?
- Auf den Webseiten der Stadtverwaltungen oder der jeweiligen Landesregierungen
- Bei Mietervereinen oder Rechtsberatungen für Mietrecht
- Im BGB § 577a Abs. 2 und den jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen
Steht Ihr Haus in einem Milieuschutzgebiet und seit wann besteht das Milieuschutzgebiet?
7 Jahre spezielles Mietervorkaufsrecht in sogenannten Milieuschutzgebieten
In Gebieten mit sozialer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BauGB („Milieuschutz“) können Mietshäuser nur in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, wenn sich der Eigentümer vertraglich dazu verpflichtet, in den ersten 7 Jahren nach der Umwandlung ausschließlich an die Mieterinnen und Mieter der betreffenden Wohnung zu verkaufen. Das gilt im Gegensatz zum Schutz durch eine Kündigungsschutzklausel-Verordnung (siehe oben) auch für Menschen, welche die Wohnung erst nach der Umwandlung angemietet haben.
Die Frist startet mit der Umwandlung und ergibt sich aus der Restzeit der vereinbarten 7 Jahre. Der Eigentümer muss den Mieterinnen und Mietern kein Kaufangebot machen, er darf die Wohnung in den 7 Jahren nach Umwandlung aber niemandem sonst verkaufen.
Bitte beachten Sie unsere Tipps um herauszufinden, ob Ihr Haus in einem Milieuschutzgebiet liegt.
7 + 5 Jahre Mieterschutz für Bestandsmieter in „Milieuschutzgebieten“
Nach Ablauf der 7 Jahre, in denen ausschließlich an die Mietenden der jeweiligen Wohnung verkauft werden darf, kann auch an andere Interessenten verkauft werden. Hierbei gilt wieder, dass es ein Mietervorkaufsrecht für diejenigen gibt, welche die Wohnung bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung gemietet hatten. Außerdem haben diese Mieterinnen und Mieter eine weitere Schutzfrist gegen Eigenbedarfskündigungen von 5 Jahren nach § 172 Abs. 4 Nr. 6. Die weitere 5-Jahres-Frist beginnt beim (ersten) Verkauf der Wohnung als Eigentumswohnung. Diese Schutzfrist kann also auch weit nach dem Ende der vertraglich vereinbarten 7-Jahres-Frist fürs Mietervorkaufsrecht beginnen.
Mit einem Beispiel wird es ganz klar: Eine Mieterin wohnte schon in der Wohnung eines Mietshauses, als das Haus vor 10 Jahren umgewandelt wurde. Da bestand auch bereits das Milieuschutzgebiet. Der Eigentümer hat die Wohnung erst jetzt als Eigentumswohnung verkauft. Die 7 Jahres-Frist für das Mietervorkaufsrecht war da bereits seit 3 Jahren abgelaufen. Der neue Eigentümer darf jetzt 5 weitere Jahre keine Eigenbedarfskündigung gegen die Mieterin anstrengen. Der Kündigungsschutz über die 7 + 5 Jahre-Regelung ermöglicht der Mieterin das weitere Wohnen in der Wohnung also für insgesamt 15 Jahre.
7 Jahre + Kündigungsfristen nach BGB für Mieterinnen und Mieter, die nach der Umwandlung eingezogen sind
Für Menschen, die eine Wohnung in einem Milieuschutzgebiet erst nach dem Zeitpunkt der Umwandlung angemietet haben, gilt weder das Mietervorkaufsrecht noch die weitere Frist von 5 Jahren. Sie fallen nach Ende der 7-Jahres-Frist auf die Kündigungsfristen nach § 573c des BGB zurück (siehe ganz oben).
Nur wenn zum Zeitpunkt des Einzugs die Umwandlung schon mehr als 7 Jahre zurückliegt, bringt der Milieuschutz den neu einziehenden Mietenden nichts.
Mieterinnen und Mieter, die bei der Umwandlung ihres Hauses bereits in der Wohnung gewohnt haben, genießen insgesamt mindestens 2 Jahre längeren Schutz als Bestandsmieterinnen, die nicht in Milieuschutzgebieten leben (7+5 siehe oben).
In welcher Phase befinde ich mich?
Wir unterscheiden vier Phasen der Betroffenheit. Mit jeder Phase steigert sich das Risiko, die eigene Wohnung durch eine Eigenbedarfskündigung zu verlieren. Für jede der vier Situationen wurde deshalb eine Forderung aufgestellt, die vor dem Eintritt in die nächste Phase schützen soll.
Gegenseitige Hilfe anbieten und annehmen
Wenn Sie anfangen, die Informationen zum Thema Aufteilung und Milieuschutz für Ihr Haus zusammenzutragen, sprechen Sie mit den anderen Mietparteien im Haus. Informationsaustausch unter Betroffenen kann Ihnen und anderen weiterhelfen.
Warum ist das so kompliziert?
Die Informationspflichten gegenüber Mietenden sind nicht ausreichend. Immer wieder geraten Mieterinnen und Mieter in Schwierigkeiten, weil sie gar nicht wussten, in welcher Lage sie sind. Wir fordern umfassende Informationspflichten für Vermietende und mehr Möglichkeiten für Kommunen.