Schutzfristen verstehen
Bei den derzeit bestehenden Schutzfristen, die Mieterinnen und Mieter vor Eigenbedarfskündigungen schützen sollen, kommt es darauf an, wann was stattgefunden hat: Einzug, Umwandlung, Verkauf. Und gibt es Milieuschutz?
Die folgenden Hinweise dienen nur der ersten Orientierung – sie ersetzen nicht die individuelle Analyse Ihrer genauen Situation. Für individuelle Beratungen zum Mietrecht gibt es Mietervereine und einige Kommunen haben eigene Beratungsangebote eingerichtet. Lassen Sie sich unbedingt beraten!
So viele Abhängigkeiten – was gilt für mich?
Im deutschen Mietrecht gibt es für Wohnungen einen starken Kündigungsschutz. Verträge werden normalerweise auf unbegrenzte Dauer abgeschlossen. Sie können von der Vermieterseite eigentlich nur nach schwerwiegenden Vertragsverletzungen der Mieterinnen und Mieter aufgekündigt werden – und bei Eigenbedarf.
Umwandlung = mehr Eigenbedarfskündigungen
Grundsätzlich sind zur Eigenbedarfskündigung nur ‚natürliche Personen‘ berechtigt, also echte Menschen. Ein Unternehmen (‚juristische Person‘) kann keinen Eigenbedarf haben. Eigentümer müssen glaubhaft und konkret darlegen, dass sie die Wohnung tatsächlich „für sich, ihre Familienangehörigen oder Angehörige ihres Haushalts benötigen“ (§ 573 BGB). Wenn eine weitere, leerstehende oder leer werdende Wohnung zur Verfügung steht, die vergleichbar ist, wird es mit der Begründung schwierig. Eigentümer einer einzigen Wohnung haben keine Alternativen zur Auswahl. Ihr Wunsch zur Selbstnutzung wird sich stets auf diese eine Wohnung richten.
Deshalb spielen Umwandlungen und Wohnungsverkäufe für den Eigenbedarf eine besondere Rolle. Mit der Umwandlung wird ein Mietshaus juristisch gesehen überhaupt erst in Wohnungen unterteilt, die dann einzeln verkauft werden können. Typische Käuferinnen des Einzelverkaufs sind natürliche Personen, die keine oder nur wenige Wohnungen besitzen.
Schutzfristen geben mehr Zeit
Die hier dargestellten Fristen orientieren sich in der Regel am Zeitpunkt der Umwandlung und am Zeitpunkt des ersten Verkaufs. Eigenbedarfskündigungen werden mit Schutzfristen nicht verhindert, aber sie geben Mieterinnen und Mietern mehr Zeit. Diese Seite bietet eine erste Orientierung über verschiedene Fristen und wann sie angewendet werden.
Bitte beachten Sie: Welche Frist genau in Ihrem Fall gilt, hängt von vielen Faktoren ab. Formulierungen wie ‚grundsätzlich‘ oder ‚in der Regel‘ weisen in diesem Text auf Ausnahmen hin, die nicht mehr besprochen werden konnten. Die Recherche auf dieser Seite ersetzt keine mietrechtliche Beratung durch einen Mieterverein oder Beratungsangebote der Kommune!
Gesetzliche Kündigungsfristen nach Bürgerlichem Gesetzbuch
Im Falle einer begründeten Eigenbedarfskündigung gelten für Mieterinnen und Mieter in Deutschland grundsätzlich die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß § 573c des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Länge der Kündigungsfrist ist davon abhängig, wie lange die Mieterinnen und Mieter die Wohnung schon gemietet haben.
Dauer des Mietverhältnisses | Kündigungsfrist |
Bis 5 Jahre | 3 Monate |
Über 5 Jahre bis 8 Jahre | 6 Monate |
Über 8 Jahre | 9 Monate |
Hinweis: Schauen Sie, ob in Ihrem Mietvertrag möglicherweise längere Kündigungsfristen vereinbart sind. Das ist erlaubt. Kürzere Fristen als im Gesetz können nicht vereinbart werden, wenn es sich um einen normalen Wohnungsmietvertrag handelt.
Es können unter Umständen weitere, längere Fristen hinzukommen, während derer eine Eigenbedarfskündigung oder der Verkauf der Wohnung an Dritte ausgeschlossen ist.
Gibt es in Ihrer Kommune eine verlängerte Kündigungssperrfrist?
Mieterinnen und Mieter, die zum Zeitpunkt der Umwandlung bereits in der Wohnung gewohnt haben, können bis zu 10 Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigungen haben.
Eine Kündigungssperrfrist ergibt sich, wenn ein Haus in Wohnungseigentum umgewandelt wurde und die Wohnungen dann erstmals verkauft werden. Mieterinnen und Mieter dieser Wohnungen sind nach dem ersten Verkauf mindestens drei Jahre vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. Voraussetzung ist, dass sie bereits vor der Umwandlung in ihre Wohnung gezogen sind. Finden Sie heraus, ob ihr Haus bereits umgewandelt wurde, ob ein erster Verkauf stattgefunden hat und ob Sie die Wohnung schon vor der Umwandlung gemietet haben.
Die Bundesländer können diese Sperrfrist auf bis zu 10 Jahre verlängern. Dafür müssen sie Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten bestimmen und für diese Gebiete eine besondere Verordnung erlassen. Prüfen Sie, ob in Ihrem Bundesland solch eine Verordnung erlassen wurde, ob sie für Ihre Gemeinde gilt und wie lang die festgesetzte Frist ist.
Mehrere Bundesländer haben solche Verordnungen erlassen:
- Berlin: 10 Jahre
- Hamburg: 10 Jahre
- Bayern: 10 Jahre (in ausgewählten Gebieten)
- Hessen: 8 Jahre (in ausgewählten Gebieten)
- Nordrhein-Westfalen: 8 Jahre (in ausgewählten Gebieten)
- Baden-Württemberg: 5 Jahre (in ausgewählten Gebieten)
- Niedersachsen: 5 Jahre (in ausgewählten Gebieten)
Eine Besonderheit ergibt sich, wenn ein Haus durch mehrere Personen (außer, sie gehören derselben Familie oder demselben Haushalt an) oder eine nicht rechtsfähige Personengesellschaft erworben wurde. Bei dieser speziellen Eigentümergruppe beginnt die Sperrfrist bereits mit der Eintragung des Erwerbs im Grundbuch – eine vorherige Umwandlung ist nicht nötig.
Achtung: Dass Sie „schon zum Zeitpunkt der Umwandlung gemietet“ (oder auch: „schon in der Wohnung gewohnt“) haben bedeutet immer, dass Ihnen die Wohnung vor diesem Datum übergeben wurde und bis heute derselbe Mietvertrag gültig ist. Wer beispielsweise, um einen zweiten Hauptmieter aus dem Mietvertrag zu entlassen, einen neuen Vertrag unterzeichnet, statt den bestehenden Vertrag anzupassen, muss das neue Datum beachten.
Wo kann man die genaue Frist für eine Stadt herausfinden?
- Einen Überblick, in welchen Städten eine verlängerte Kündigungssperrfrist gilt, bietet der Deutsche Mieterbund.
- Auf den Webseiten der Stadtverwaltungen oder der jeweiligen Landesregierungen
- Bei Mietervereinen oder Rechtsberatungen für Mietrecht
- In den jeweiligen landesrechtlichen Verordnungen, die auf Basis des § 577a Abs. 2 BGB erlassen wurden und in denen die Gebiete und Sperrfristen festgelegt sind.
Haben Sie als Mietende ein Vorkaufsrecht?
Wer schon zum Zeitpunkt der Umwandlung in der Wohnung lebte, hat beim ersten Verkauf der Wohnung nach Umwandlung ein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB. Eigentümer müssen Mieter über den Verkauf informieren. Diese erhalten dann das Angebot, anstelle der eigentlichen Käufer in den Kaufvertrag einzutreten.
Ihr Eigentümer muss Sie über den ersten Verkauf informieren, nicht aber über die zuvor erledigte Umwandlung. Weil die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nur zwei Monate beträgt und die Mitteilung über den Verkauf oft überraschend kommt, schaffen es nur sehr wenige Mieterinnen und Mieter, ihre Wohnung tatsächlich vorzukaufen. Informieren Sie sich darüber, ob ihre Wohnung bereits in Wohnungseigentum umgewandelt wurde und ob der Erstverkauf schon stattgefunden hat.
Achtung: Das Vorkaufsrecht entfällt, wenn Eigentümer an Angehörige des eigenen Haushalts oder Familienmitglieder verkaufen.
Steht Ihr Haus in einem Milieuschutzgebiet?
Zu besonderen Schutzfristen kann es in Gebieten mit sozialer Erhaltungssatzung („Milieuschutz“) kommen. Voraussetzung ist, dass die Landesregierung eine „Umwandlungsverordnung“ erlassen hat.
7 Jahre kein Verkauf an Dritte
Gilt diese Verordnung, kann der Erstverkauf der Wohnungen nach Umwandlung in diesen Gebieten zumindest verzögert werden. Die Umwandlung ist nach § 172 Abs. 4 Nr. 6 BauGB zu genehmigen, wenn sich die Eigentümer verpflichten, in den ersten 7 Jahren nach der Umwandlung nur an die Mieterinnen und Mieter zu verkaufen. Es ergibt sich daraus aber keine Pflicht, den Mietenden innerhalb der 7 Jahre oder danach ein Kaufangebot zu machen. Es ist lediglich untersagt, in dieser Frist an Dritte zu verkaufen.
Wird diese 7-Jahres-Frist vereinbart, eine Art Verkaufssperrfrist, gilt sie auch für Menschen, welche die Wohnung nach der Umwandlung angemietet haben – anders als bei der Kündigungssperrfrist (siehe oben).
Finden Sie heraus, ob Ihr Haus in einem Milieuschutzgebiet liegt und ob dies schon zum Zeitpunkt der Umwandlung bestand. Prüfen Sie dasselbe mit Bezug auf eine mögliche Umwandlungsverordnung. Beachten Sie dafür unsere Tipps, um herauszufinden, ob Ihr Haus in einem Milieuschutzgebiet liegt.
Achtung: Auch in Milieuschutzgebieten gibt es Ausnahmen, bei denen die Umwandlung ohne die 7-Jahres-Frist möglich ist. Diese Fälle sind in § 172 BauGB aufgezählt, kommen aber selten vor.
7 + 5 Jahre Mieterschutz für Bestandsmieter in „Milieuschutzgebieten“
Unterliegt ein Haus der 7-Jahres-Regel, können die Wohnungen nach Ablauf der 7 Jahre an Dritte verkauft werden. Haushalte, welche die Wohnung schon vor der Umwandlung gemietet haben, können dabei ihr Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB nutzen. Außerdem ergibt sich für sie eine verkürzte Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen:
- Die überall gültige Frist von drei Jahren nach § 577a Abs. 1 BGB entfällt. Hat das Land keine verlängerte Kündigungssperrfrist für das betreffende Gebiet erlassen, gelten die oben dargestellten Fristen von 3, 6 oder 9 Monaten.
- In Gebieten mit verlängerten Kündigungssperrfristen werden diese um 5 Jahre verkürzt, also beispielsweise von 10 auf 5 Jahre, von 8 auf 3 Jahre oder von 5 auf 0 Jahre.
Wer die Wohnung erst nach der Umwandlung angemietet hat, kann sich weder auf das Mietervorkaufsrecht, noch auf die Kündigungssperrfrist berufen. Es gilt die allgemeine Kündigungsfrist von 3, 6 oder 9 Monaten. Weil sie von der 7-Jahres-Regel profitieren, sind sie im Milieuschutzgebiet trotzdem besser geschützt als Haushalte außerhalb solcher Gebiete, welche die Wohnung ebenfalls erst nach Umwandlung angemietet haben – zumindest solange die 7 Jahre noch laufen.
Achtung: Die Kündigungssperrfrist beginnt erst mit dem ersten Verkauf der umgewandelten Wohnung. Es ist möglich, dass zwischen der Umwandlung und dem ersten Verkauf viele Jahre liegen – auch außerhalb von Milieuschutzgebieten.
Ein Beispiel: Ein Mieter wohnte schon in der Wohnung eines Berliner Mietshauses, als das Haus vor 10 Jahren umgewandelt wurde. Da bestanden bereits das Milieuschutzgebiet und eine Umwandlungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB. Die Eigentümerin hat die Wohnung erst jetzt als Eigentumswohnung verkauft. Die 7 Jahres-Frist für das Mietervorkaufsrecht war da bereits seit 3 Jahren abgelaufen. Die neue Eigentümerin darf jetzt 5 weitere Jahre keine Eigenbedarfskündigung gegen den Mieter anstrengen.
Fazit
Ob eine Eigenbedarfskündigung überhaupt möglich oder wahrscheinlich ist und welche Schutzfristen für Sie gelten, hängt von vielen einzelnen Fragen ab. Regelungen unterscheiden sich zwischen den Bundesländern, gelten dort nicht immer in allen Kommunen und haben in Milieuschutzgebieten noch einmal eine eigene Bedeutung. Zudem ist die Situation ihres Hauses und ihr eigener Mietvertrag von Bedeutung. Nehmen Sie sich für die Beantwortung dieser Fragen Zeit, lassen Sie sich beraten und tauschen Sie sich gern mit der Nachbarschaft aus.
In welcher Phase befinde ich mich?
Wir unterscheiden vier Phasen der Betroffenheit. Mit jeder Phase steigert sich das Risiko, die eigene Wohnung durch eine Eigenbedarfskündigung zu verlieren. Für jede der vier Situationen wurde deshalb eine Forderung aufgestellt, die vor dem Eintritt in die nächste Phase schützen soll.
Gegenseitige Hilfe anbieten und annehmen
Wenn Sie anfangen, die Informationen zum Thema Aufteilung und Milieuschutz für Ihr Haus zusammenzutragen, sprechen Sie mit den anderen Mietparteien im Haus. Informationsaustausch unter Betroffenen kann Ihnen und anderen weiterhelfen.
Warum ist das so kompliziert?
Die Informationspflichten gegenüber Mietenden sind nicht ausreichend. Immer wieder geraten Mieterinnen und Mieter in Schwierigkeiten, weil sie gar nicht wussten, in welcher Lage sie sind. Wir fordern umfassende Informationspflichten für Vermietende und mehr Möglichkeiten für Kommunen.